@ all
4. März 2016, 18:55 Uhr
Endspiel
Beim Go-Turnier in Seoul kämpft der Koreaner Lee Sedol für die Ehre des menschlichen Geistes.
Von Kai Kupferschmidt
Die nächste Runde im Wettkampf Mensch gegen Maschine wird in einem Konferenzraum des Hotels "Vier Jahreszeiten" in Seoul ausgetragen. Das Schlachtfeld: ein Brett mit 19 mal 19 Feldern. Die Disziplin: das uralte chinesische Spiel "Go". Fünf Spiele soll das Turnier umfassen. Das erste davon beginnt am 9.
März um ein Uhr mittags. Die Menschheit schickt Lee Sedol ins Rennen, den besten Go-Spieler seiner Generation und in Südkorea so bekannt wie Michael Schumacher in Deutschland. Auf der anderen Seite wird Aja Huang, ein junger Programmierer beim Unternehmen Google Deep Mind, die Steine platzieren. Doch Huang ist nur ein Handlanger. Er wird ausführen, was das
Programm Alpha Go ihm einflüstert. Alpha Go ist Lees wirklicher Widersacher, ein komplexes Computerprogramm. Es hat bereits im vergangenen Jahr geschafft, was bis dahin keiner Software gelungen war: einen Go-Profi zu besiegen.
Die Welt der künstlichen Intelligenz ist seither nicht mehr die gleiche. "Forscher hatten den Durchbruch erst in zehn, zwölf oder 15 Jahren erwartet", sagt der Hirnforscher Christof Koch, Leiter des Allen-Institute for Brain Sciences in Seattle.
Bei dem Turnier geht es nur vordergründig um eine Million Dollar Preisgeld. In Wahrheit geht es um viel mehr: um einen Markt, der Milliarden wert ist und um einen Beweis, was künstliche Intelligenz inzwischen leisten kann. Manche sehen schon Programme am Horizont, die schlauer sind als Menschen. Superintelligente Maschinen, die den Lauf der Geschichte ändern könnten. ...
Tatsächlich sei die Sicht auf die künstliche Intelligenz in der Vergangenheit sehr eng gewesen, sagt Jonathan Schaeffer, Computerwissenschaftler an der University of Alberta in Kanada. "Wir haben im Grunde Computer herangezogen, die inselbegabt sind", bedauert der Forscher. Programme, die in einer Sache übermenschlich gut sind, sonst aber nichts können. Hassabis möchte dagegen eine künstliche Intelligenz schaffen, die ganz unterschiedliche Dinge lernen kann. "Artificial general intelligence" nennen Forscher das. Oder wie Hassabis gern sagt: "Wir wollen das Problem der Intelligenz lösen und das dann nutzen, um alle anderen Probleme zu lösen." ...
2010 gründete Hassabis mit Shane Legg und Mustafa Suleyman in London das Unternehmen Deep Mind. Sie gewannen Investoren wie die Internetgurus Elon Musk und Peter Thiel und scharten in kurzer Zeit Top-Talente aus aller Welt um sich.
2014 kaufte Google das Start-Up. Etwa eine halbe Milliarde Euro soll der Internetriese bezahlt haben. Spätestens im Februar 2015 war offensichtlich, warum. Damals verkündeten Hassabis und Kollegen ihren ersten großen Durchbruch. ...
Schon jetzt dürften die Algorithmen von Google Deep Mind die Welt verändern. Das Unternehmen hat inzwischen 200 Angestellte. Die meisten betreiben noch immer Grundlagenforschung, aber etwa jeder Vierte sucht nach Möglichkeiten, die Algorithmen bei Google einzusetzen. So könnten sie etwa die Ergebnisse von Suchmaschinen verbessern oder die Software in fahrerlosen Fahrzeugen unterstützen. Auch im Medizinbereich dürfte die Technik bald eingesetzt werden. Sie könnte etwa dabei helfen, Tumore bei Mammografien besser zu erkennen.
In einer US-Klinik wird bereits Watson eingesetzt - jener Computer, der sich im Fernsehquiz hatte durchsetzten können.
Doch den Hoffnungen stehen auch Ängste gegenüber. Was könnte künstliche Intelligenz in den Händen des Militärs bedeuten? Lassen sich superintelligente Maschinen auch Ethik und Moral einprogrammieren? Hassabis nimmt die Befürchtungen ernst.
Eine seiner Bedingungen an Google vor der Übernahme war, die Technik niemals fürs Militär oder Nachrichtendienste zu nutzen.©SZ vom 05.03.2016
http://www.sueddeutsche.de/wissen/wettk ... -1.2891862&4. März 2016, 18:55 Uhr
Künstliche Intelligenz : Maschinen wie wir
Die Erfolge der neuen Computerprogramme beim asiatischen Brettspiel Go markieren einen Schwellenbruch. Das wird bald die ganze Welt merken.
Von Patrick Illinger
...
Doch der Gegner, dem Fan Hui im Oktober vergangenen Jahres 0:5 unterlag, war die Software Alpha Go aus dem Google-Forschungslabor Deep Mind. ...
Gedemütigt wurde nicht nur der Go-Meister. Alpha Go hat den menschlichen Geist an sich beschämt. Denn der Computer hat nicht allein mit schierer Rechenleistung gewonnen, sondern mit einer Software,
die für eine neue Phase in der Evolution der künstlichen Intelligenz (KI) steht: Programme lösen sich von starren Algorithmen und fangen an, ein bisschen wie Menschen zu denken. "Wir hatten keine Ahnung, wie stark unser Programm sein würde. Schließlich machen menschliche Spieler sehr unberechenbar alle möglichen verrückten und kreativen Züge" sagt Demis Hassabis, Chef von Deep Mind.
Gerade Go galt immer noch - anders als Schach - als eines der letzten Bollwerke des menschlichen Geistes. Denn nur auf den ersten Blick ist das Spiel simpel. ...
Bizarrerweise zwingt Go selbst die modernsten Supercomputer in die Knie. Sogar Rechenzentren, die Großraumflugzeuge entwerfen oder das Weltklima der kommenden Jahrzehnte prognostizieren, scheiterten bislang im Kampf gegen die menschlichen Go-Meister. Für die elektronischen Gehirne ist Go eine viel größere Herausforderung als zum Beispiel Schach, in dem der IBM-Supercomputer bereits 1997 den damals amtierenden Weltmeister Garri Kasparow deklassierte.
Go ist, so schlicht das Spiel auch wirkt, eine mit Prozessoren und Algorithmen nicht vollständig lösbare Aufgabe. Ein Grund dafür ist, dass es mehr Möglichkeiten gibt, die Spielsteine auf dem Brett zu platzieren, als es Atome im Universum gibt. ...
Genau deshalb braucht man einen Computer, der wie ein Mensch denkt, der sich löst vom "Wenn x, dann y"-Prinzip klassischer Computerlogik. Manchmal ist y die Lösung, aber manchmal auch z oder ein ganz anderer Buchstabe aus dem Alphabet. Es muss ein Rechner sein, der nicht nur für einen Zweck programmiert ist, sondern wie ein biologisches Gehirn verschiedene Fähigkeiten erlangen kann. Dafür eignen sich sogenannte neuronale Netze, deren Grundidee KI-Forscher bereits vor 25 Jahren entwickelt haben.
Die biologisch inspirierten neuronalen Netzwerke sind fähig zum sogenannten
Deep Learning. Das heißt zum einen so, weil die Entwickler kluge Computerprogramme traditionell nach dem imaginären "Deep Thought"-Weltrechner des Schriftstellers Douglas Adams ("Per Anhalter durch die Galaxis") benennen. "Aber es gibt auch einen inhaltlichen Grund", sagt der IT-Experte Henrik Klagges, Mitgründer der Münchner Softwareschmiede TNG. "Es geht darum, tiefe Stapel aus vielen informationsverarbeitenden Schichten zu bauen." Jede einzelne Schicht besteht aus vielen winzigen, simulierten Nervenzellen, die nach und nach ein Muster - etwa ein Foto in Pixel-Darstellung - analysieren. Dabei erfolgt dieser Prozess in vielen Schritten. Dies erlaubt eine überraschend effiziente Arbeitsteilung: Die ersten, oberen Schichten erledigen noch simple und konkrete Voraufgaben; sie gruppieren zum Beispiel ähnliche Pixel oder registrieren Helligkeitsunterschiede. Aber dank dieser Vorleistung können die tieferen Schichten zunehmend komplexere und abstraktere Muster erkennen, zum Beispiel Kanten oder Kantenkombinationen. Irgendwann ist das System dann klug genug, um anhand einer kompakten Kantenkombination von alleine zu unterscheiden ...
Damit die Schichten ihre Teilaufgaben lösen können, muss man sie allerdings anlernen. ...
Diese Art von Maschinenlernen lässt sich nun besonders gut auf Go übertragen. ...
Nachdem AlphaGo 13 Millionen Partien durchgekaut hatte, spielte es wie ein Großmeister
Allerdings sind die möglichen Positionen so zahlreich und die Komplexität so groß, dass weitere Werkzeuge zum Einsatz kommen. Das sogenannte Policy Network schlägt von den bis zu dreihundert möglichen Spielzügen auf dem Brett eine Handvoll vor. Das Value Network bewertet dann die daraus resultierenden Spielstellungen. Beide Netzwerke werden dann mit dem Monte-Carlo-Verfahren kombiniert, ein in der Wissenschaft übliches Verfahren, um zufällige statistische Vorgänge zu simulieren. Physiker zum Beispiel simulieren mit Monte-Carlo-Algorithmen, wie Elementarteilchen in Detektoren wechselwirken. Im Fall von Go picken die Monte-Carlo-Algorithmen eine für den Computer beherrschbare Zahl von künftigen Zugfolgen heraus, um zu prüfen, ob ein Spielzug sich im weiteren Verlauf wahrscheinlich als vorteilhaft erweisen wird.
Googles Alpha Go hat nach den Berichten seiner Entwickler rund 13 Millionen Go-Partien aus den Datenbanken durchgekaut und mit insgesamt 13 Schichten analysiert. So hat das Programm Großmeister-Niveau erreicht. Danach spielte die Software noch Millionen Partien gegen Varianten ihrer selbst, um festzustellen, welche Strategien erfolgreichsten sind. ...
Die Implikationen von Deep Learning sind gewaltig. Nicht nur für Brettspiele, sondern für jede Form von Mustererkennung und viele Arten von Wissensarbeit an sich. Schon bald könnten Übersetzer, Pathologen, Mitarbeiter von Call Centern weitgehend durch Computer ersetzt werden. Ihre Kunden werden es vielleicht so wenig merken wie der Go-Europameister Fan Hui: "Wenn es mir niemand erzählt hätte, dann hätte ich meinen Gegner für einen etwas seltsamen aber starken Gegner gehalten. In jedem Fall aber für einen Menschen." ...
©SZ vom 05.03.2016
http://www.sueddeutsche.de/wissen/kuens ... -1.2891860 Silicon Valley macht Politik : Was will der Google-Chef im Pentagon?
Das amerikanische Verteidigungsministerium will enger mit dem Silicon Valley kooperieren. Eine Beratergruppe unter der Leitung von Eric Schmidt, Aufsichtsratschef von Alphabet, soll für Innovationen sorgen. Für welche?
03.03.2016, von Urs Humpenöder
Das amerikanische Verteidigungsministerium rüstet auf: Eric Schmidt, Aufsichtsratschef des Google-Mutterkonzerns Alphabet, wird ein Beratergremium für das Pentagon leiten. Mit diesem Defense Innovation Advisory Board will das Pentagon das Silicon Valley und das amerikanische Militär einander näher bringen. Verteidigungsminister Ashton Carter hofft, dass die Experten aus der Wirtschaft dem Militär innovative Lösungen vermitteln. Es geht um den Einsatz von Cloud-Technologien, Datenanalysen und Rapid Prototyping, die schnelle Herstellung von Musterbauteilen und Prototypen. Militäreinsätze und Strategien sind keine Themen des zwölfköpfigen Beraterkreises.
Es geht um die Hoheit der Daten
Eric Schmidt arbeitet schon seit 2009 für die amerikanische Regierung. Damals holte Präsident Obama ihn in den President’s Council of Advisors on Science and Technology, der sich Technologiefragen widmet, etwa beim Kampf gegen den Terrorismus oder der Gestaltung der Netz-Infrastruktur. Dass Schmidt jetzt das Verteidigungsministerium berät, bezeugt den politischen Einfluss, den Onlinekonzerne wie Alphabet haben. Eigentlich hat das Pentagon eine eigene Behörde, die Defense Advanced Research Project Agency (Darpa), die sich um Forschung und Innovation kümmert. Die Darpa hat unter anderem das Navigationssatellitensystem GPS mitentwickelt. Warum also zusätzlich Geld für Leute aus dem Silicon Valley? Weil beide Seiten etwas davon haben. Die amerikanischen Online-Konzerne tun zwar gerne so, als hielten sie zum Staat auf Abstand – wie etwa Apple im Streit mit dem FBI um den Zugang zu iPhones. De facto aber geht es dem Staat wie den Unternehmen gleichermaßen um eines – die Hoheit über die Daten. ...
Quelle: F.A.Z.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/d ... 03946.htmljohannes