Schildbürgerstreich
906
09.01.2008
ABGELTUNGSTEUER
"Unhaltbarer Zustand"
Von Dietmar Palan
Aktionärsaktivist Ekkehard Wenger im Gespräch mit manager magazin über Steuern auf Kursgewinne und die drohende Massenflucht deutscher Anleger.
mm: Herr Wenger, Sie befürchten die größte Kapitalflucht seit 1945, weil Deutschlands Aktionäre ab 2009 sämtliche Kursgewinne versteuern müssen. Übertreiben Sie da nicht ein wenig?
Wenger: Ganz und gar nicht. Bei der sogenannten Abgeltungsteuer handelt es sich um eine Kriegserklärung gegen jeden, der Aktien im Depot hat. Ein wirklich vermögender Aktionär kann sich von den Steuern, die er in Deutschland zukünftig zahlen müsste, jedes Jahr eine neue Villa kaufen. Der bleibt nur hier, wenn er zumindest in steuerlicher Hinsicht masochistisch veranlagt ist.
mm: Moment - wir reden hier über ein Viertel der Kursgewinne, und das ist weniger als die Summen, die heute fällig werden, wenn Sie Aktien innerhalb eines Jahres verkaufen und die Gewinne mit dem Fiskus teilen müssen.
Wenger: Warum sich dieser Irrtum so hartnäckig hält, ist mir schleierhaft. Wegen des Halbeinkünfteverfahrens sind auch auf kurzfristig realisierte Kursgewinne derzeit weniger als 25 Prozent Steuern zu zahlen. Entscheidend ist aber, dass Kursgewinne bislang steuerfrei waren, wenn die Aktien länger als ein Jahr gehalten wurden. Wenn Sie also künftig Ihr Depot umschichten, Kursgewinne realisieren und darauf Steuern zahlen, dann sind die Summen, die Sie reinvestieren können, deutlich geringer als heute. Das Vermögen, das Sie künftig mit Aktien aufbauen können, wird deutlich geringer ausfallen als bislang.
mm: Nicht wenn man Fonds kauft. Fondsmanager müssen ihre Kursgewinne nicht versteuern. Erst wenn der Anleger verkauft, sind 25 Prozent auf die Gewinne fällig.
Wenger: Das ist eine massive Diskriminierung direkter Aktienengagements. Diese Begünstigung der Fondsbranche ist skandalös, und dagegen werde ich auch Verfassungsbeschwerde einlegen.
"Unhaltbarer Zustand" (2)
Von Dietmar Palan
mm: Die USA und Großbritannien besteuern Kursgewinne, ohne dass dabei der Aktienmarkt zusammenbrechen würde oder eine riesige Kapitalflucht eingesetzt hätte.
Wenger: Dafür sind in diesen Ländern die Freibeträge höher und die Steuersätze niedriger. Abgesehen davon werden aber die meisten Kursgewinne sowieso nicht versteuert, weil Privatanleger Aktien nur indirekt über Publikums- oder Pensionsfonds oder - bei reichen Familien - über Stiftungen halten. Hinzu kommt, dass man in Großbritannien auf Kursgewinne und Vermögenserträge überhaupt keine Steuer zahlt, wenn die Assets außerhalb Großbritanniens deponiert sind. Deshalb ist London als Wohnort für Reiche mit großen Aktienbeständen unschlagbar.
mm: Es mag ja sein, dass die Abgeltungsteuer den Aktienanteil des Vermögens stärker belastet, gleichzeitig müssen Zinserträge künftig nur noch pauschal mit 25 Prozent versteuert werden.
Wenger: Das hilft vielleicht den Armen, die ein paar Euro Zinsertrag versteuern müssen und ohnehin nicht abwandern können. Für einen reichen Privatanleger, bei dem Rentenpapiere vernünftigerweise höchstens eine Depotbeimischung sein sollten, ist das bedeutungslos. Auch die Vorstellung, dass in Rentenpapieren angelegtes Schwarzgeld aus dem Ausland nach Deutschland zurückfließt, ist pure Illusion. Inhaber von schwarzen Auslandsdepots werden allenfalls eines tun: Sie werden in ihren weißen Depots im Inland Umschichtungen zulasten von Aktien vornehmen und dafür in den schwarzen Depots im Ausland den Aktienanteil hochfahren.
Das ist das Günstigste, was der Fiskus erwarten kann; wer ruhig schlafen will, wird sich komplett aus dem Staub machen. Dann fehlen der öffentlichen Hand auch die Steuern, die er bisher im Inland gezahlt hat.
http://www.manager-magazin.de/magazin/a ... 50,00.html